12.03.2014

„Betreuungsunterhalt nach neuem Recht – Dauer und Höhe“

Nach § 1570 BGB besteht ein sog. „Basisunterhaltsanspruch“ des geschiedenen Ehegatten wegen Kinderbetreuung für mindestens 3 Jahre nach der Geburt des Kindes. In diesem Zeitraum kann sich der betreuende Elternteil frei entscheiden, ob er vorhandene Betreuungsmöglichkeiten nutzt oder das Kind selbst betreut.

Nach diesem Zeitraum ist durch eine Abwägung verschiedener Belange (tatsächlich bestehende Möglichkeiten der Kinderbetreuung, Belange des Kindes, Dauer der Ehe, sowie die Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit) im Einzelfall zu ermitteln, ob, wie lange und wie hoch Betreuungsunterhalt geschuldet wird. Insofern wurde durch die Gesetzesreform der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit geschiedener Ehegatten gestärkt. Nunmehr obliegt es dem Unterhalt fordernden Elternteil Gründe darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die ausnahmsweise gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sprechen. Erfolgt dies nicht, wird anhand der konkreten Umstände ermittelt, in welchem Umfang eine berufliche Tätigkeit zumutbar ist und welcher Verdienst dabei zu erwarten ist. Dabei ist es möglich, den Unterhaltsanspruch in Dauer und Höhe zu staffeln, um so den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Der Anspruchsteller kann sich nicht mehr in vollem Umfang auf seine Bedürftigkeit berufen; ihm wird im Verhältnis zum Unterhaltsschuldner ein fiktives Einkommen zugerechnet, welches seinen Unterhaltsanspruch entsprechend mindert oder ganz ausschließt.

Zur Veranschaulichung der neuen Rechtslage sollen die folgenden Entscheidungen beitragen.

OLG Hamm vom 06.03.2008, 2 UF 117/07

Vorliegend begehrte die Klägerin vom Beklagten nachehelichen Betreuungsunterhalt für das 2002 geborene gemeinsame Kind, das seit der Ehescheidung im Jahre 2005 bei der Klägerin lebt und allein von ihr betreut wird. Das Kind leidet unter einer allgemeinen Entwicklungsstörung und hat deswegen einen ärztlich bestätigten erhöhten Betreuungsbedarf. Seit 2006 besucht das Kind an mindestens 4 Tagen pro Woche mindestens halbtags einen heilpädagogischen Kindergarten. Gleichwohl ging die Klägerin bisher keiner Arbeit in ihrem Beruf als gelernte Bäckereifachverkäuferin nach.

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Klägerin keine ausreichenden Gründe vortragen konnte, die gegen eine zumindest teilschichtige Erwerbstätigkeit sprechen. Demnach ist es für die Klägerin auch unter Berücksichtigung des erhöhten Betreuungsbedarfs des Kindes zumutbar, in den Zeiten des Kindergartenbesuchs des Kindes einer Tätigkeit in ihrem Beruf nachzugehen. Insoweit ist ihr die vollumfängliche Berufung auf ihre Bedürftigkeit verwehrt, sie muss sich im Verhältnis zum Beklagten ein fiktives Einkommen anrechnen lassen. Bei der Bemessung der Höhe des erzielbaren unterhaltsrelevanten Einkommens sind wiederum alle tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Vorliegend waren dies: Ausbildung, Berufserfahrung und Beschäftigungschancen der Klägerin einerseits, sowie der ihr durch die Kindergartenbetreuung vorgegebene zeitliche Rahmen einer möglichen Tätigkeit. Besonders aufgrund der Tatsache, dass nicht zu erwarten ist, dass die Klägerin den Zeitraum des Kindergartenaufenthaltes des Kindes wegen oft nur eingeschränkter Flexibilität der Arbeitszeiten voll ausschöpfen können wird, hat das OLG Hamm ein fiktives Einkommen von monatlich 300,00 € netto angenommen. Dieses wird bei der Berechnung des Betreuungsunterhalts zugunsten des Beklagten in Abzug gebracht.

OLG Düsseldorf vom 09.05.2008, 2 WF 62/08

Im Rahmen eines Prozesskostenhilfeantrages der Klägerin nahm das OLG Düsseldorf zur Frage des Betreuungsunterhalts und einer Erwerbsobliegenheit der Klägerin Stellung.

Die Klägerin betreut die aus der Ehe mit dem Beklagten hervorgegangenen gemeinsamen schulpflichtigen Kinder (derzeit 9 und 7 Jahre alt) und begehrt vollen Betreuungsunterhalt, da sie keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

Das OLG betont, dass nach neuem Recht grundsätzlich bestehende Kinderbetreuungsmöglichkeiten genutzt werden sollen, um selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Jedoch verlangt auch die Neuregelung keinen abrupten Wechsel von elterlicher Sorge zur Vollzeittätigkeit. Es ist im Interesse des Kindes ein gestufter Übergang möglich, der anhand der Kriterien von § 1570 BGB gestaltet wird.

So kann nach Ansicht des Gerichtes von der Klägerin eine Tätigkeit von maximal 5 Stunden täglich verlangt werden. Dabei wurden Zeiten für Arbeitswege der Klägerin, Einkäufe zur angemessenen Versorgung der Kinder, sowie Zeiten zur Beschäftigung und Förderung der Kinder berücksichtigt. Weiterhin war hier der Umstand von Bedeutung, dass die Klägerin während der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen war und sich aus dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität ein schützenswertes Vertrauen dahin ergibt, dass sie auch nach der Scheidung die Kinder zum größten Teil selbst versorgen und betreuen kann. Die Verpflichtung zu einer Vollzeitarbeit neben der Wahrnehmung der gesamten Kinderbetreuung würde zu einer deutlich ungleichen Lastenverteilung beider Elternteile führen.

Für die Berechnung des in Ansatz zu bringenden fiktiven Einkommens hat das OLG einen Stundenlohn von 7,50 €, mithin monatlich 810,00 € brutto, also 645,55 € netto zugrunde gelegt. Nach Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen i. H. v.. 32,28 € verbleiben 613,27 €. Um diesen Betrag wird der Anspruch der Klägerin auf Betreuungsunterhalt gekürzt.

OLG Köln vom 27.05.2008, 4 UF 159/07

Die Parteien streiten um nachehelichen Betreuungsunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder (8 und 11 Jahre). Die Klägerin befand sich zur Zeit der Entscheidung und noch bis Mitte 2008 in der Fortbildung zur Betriebswirtin und geht darüber hinaus einer Geringverdienertätigkeit (monatlich 400,00 € netto) nach.

Das OLG führt aus, dass es der Klägerin angesichts des Alters der Kinder grundsätzlich zumutbar sei, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen. Jedoch liegt mit der Fortbildungsmaßnahme der Klägerin ein beachtenswerter Grund vor, von einer lediglich eingeschränkten Erwerbsobliegenheit auszugehen, da die Fortbildung nicht zuletzt auch die Berufschancen erweitert, mit möglicherweise erhöhtem Einkommen verbunden ist und damit eine Entlastung des Beklagten erwarten lässt. Die Geringverdienertätigkeit ist insoweit ausreichend.

Allerdings geht das OLG davon aus, dass es der Klägerin bis Ende 2008 möglich sein wird, ihre beruflichen Verhältnisse so zu ordnen, dass sie ab Januar 2009 selbst für ihren Unterhalt aufkommen kann. Insoweit wurde der Unterhaltsanspruch bis Ende 2008 befristet. Ferner hat die Klägerin schon jetzt geeignete Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder zu suchen, da es ihr nach Gesetzeslage bei der vorliegenden Alterskonstellation zuzumuten ist, vollschichtig zu arbeiten.

BGH vom 16.07.2008, XII ZR 109/05

Mit dem neuen § 1570 BGB hat der Gesetzgeber den Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt eingeschränkt.

Für die Dauer der ersten drei Jahre bleibt es bei der freien Wahl des betreuenden Elternteils, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder nicht. Insoweit besteht ein Anspruch auf den vollen Unterhalt.

Danach trägt der unterhaltsberechtigte Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts, wobei dem Grundsatz der Eigenverantwortung erhöhte Bedeutung zukommt. Demgegenüber ist auch zu beachten, dass dem betreuenden Elternteil keine überobligationsmäßige Belastung auferlegt wird, was sich u. a. auch danach bemisst, wie die frühere gemeinsame Lebensplanung aussah und inwiefern der Unterhaltsberechtigte auch weiterhin auf eine solche Aufgabenverteilung vertrauen durfte.